gewiefte Händler
bewerben Süßigkeiten
als Enkelköder
Kategorie-Archiv für Haiku und Senryū
Kleine Wärmflasche
das pralle Säckchen
zittert des Nachts durch mein Bett
als wärs lebendig

Im Bistro
Medizingeschichte
in meiner Kindheit
gab es bittere Tropfen
mit vielviel Fusel

Starke Frau
kein Pferd weit und breit
sie reitet lässig ihre
eigenen Hüften

frei nach William Carlos Williams (1883-1963):
„She rides her hips as it were a horse“
Das Glück auf der Baustelle
Moderne Duschkabine
Eher nicht
wenn man es könnte
würde man dann im Grabe
noch Zeitung lesen?

Käsekunde
der Appenzeller
sei hart cremig dagegen
die Appenzellerin
Zur Überraschung des Autors handelt es sich bei der Appenzellerin nicht etwa um einen vergenderten Appenzeller, sondern um einen neuen zarten, weiblichen Käse. Merke: Appenzeller und Appenzellerin sind ein schönes Paar und eine Zierde für jede Käseplatte!
Zu Unrecht aus der Mode gekommen
Kein Wunder
Plöner Paradox
Magellan
ein weißer Falter
umsegelt den Blumenkübel
als wär der die Welt

Kopfrechnung
Victoria Harbour
Lady in Leggins
Im Souvenirladen
Postkarten zeigen
was du geknipst haben musst
damit du da warst
CitizenM Hotel, Taibei
Mitbringsel
In der Straßenbahn
Orientierungshilfe
Ein Maler
Gärtners Herbstklage
Kleine Elegie
Kommilitonin mit Hornbrille 1966
von fern bewundert
kein Wort gewechselt trotzdem
niemals vergessen

Alter Baum am Maschsee
Moos auf den Ästen
giftgrüne Häkeldeckchen
auf Sofalehnen

Oktoberseufzer
Seniorenresidenz
Die neuen Mütter
Septemberflipper
Herbst in Eutin
im alten Schlosshof
keinerlei Fotomotiv
mit ohne Rentner

Bild und Ton
der Mäusebussard
halb fliegender Räuber halb
fiependes Quietschtier

Lenkerattrappe
Stillleben
Säuglinge fordern
Mütter mit Macchiato statt
mit labbriger Milch

September
die Krähe fläzt sich
faul in den Sturm als wäre
die Luft ihr Sessel

Rempelhilfe
Mutter mit Tragetuch
Ein Wunderknabe
Morgengymnastik
Lunar Eclipse
Politisch korrekt
Freiluftkonzert
hinter der Bühne
klingen die Stücke seltsam
weil seitenverkehrt

Kunststück zur Nacht
ich kicke den Slip
in die Luft und fange ihn
zwischen den Zähnen

Diese Nummer sollte der Künstler selbstverständlich nur mit seiner eigenen Unterhose vorführen. Zudem sollte er auf ausreichenden Sicherheitsabstand zu Wänden, Möbeln, Fenstern und vor allem zu den hoffentlich zahlreich erschienenen Zuschauern achten.
Mit Frau Meier in Ulm
sie liegt am Boden
und knipst von unten aufwärts
Münster und Männe
Sommer in Taipeh
aus dünnen Hüllen
steigen wildfremde Dünste
in meine Nüstern

National Palace Museum Taipeh
Berge in Wolken
draußen Gewitter drinnen
duftender Tee

Schöne Aussicht
Qixingshan, Taipeh
jenseits des Gipfels
nichts als weitere Berge
ad infinitum

culinaria sinica
Nudern aus China
bisweiren unelwaltet
brond und gekläusert

小15, Taipei
im Bus kein Sitzplatz
ich hocke wildfremde Knie
an meinen Ohren

Yangmingshan
Regen von gestern
noch in den Schuhen wandern
wir ins Gewitter
Yinshan Tempel, Tamsui
die Beter sind fort
nur noch zwei Weihrauchstäbchen
glimmen und duften

Vergnügen im 25. Stock
von ganz weit oben
den Regentropfen auf die
Scheitel zu spucken

Sommerbesuch
sie lupft ihr Röckchen
setzt sich und atmet einfach
auf unser Sofa

Im Restaurant
Essen zu essen
ist out in ist Essen zu
fotografieren
Frühstück in Tainan
ich will zum Obstkorb
folge ihr aber in Trance
zum Würstchenkessel

Klosterruine in Tainan
die Hallen verwaist
ein altes Radio plärrt
Buddhagesänge

Böses Erwachen
hypnotisiert von
Bananenaugen trau ich
mich nicht aus dem Bett

Kunstmuseum 2025
kein einziger Künstler
nur noch Installateure
und Weltbeglücker
Daoistische Psychotherapie
Peitschenknallen und
rhythmisches Murmeln gegen
quälende Träume
Vertrackte Sitzordnung
unübersehbar
haarbreit neben der Gattin
ein Prachtdekolleté
Am Strand
Hitzewelle
„Hinter jeder großartigen Frau steht eine besondere Katze“
Mittagsschläfchen
die Sofadecke
mit Susi drin eine Art
Quarkpalatschinke

Schweres Schicksal
er ist entmündigt
für ihn entscheiden Werbung
und Testzeitschriften
Gärtnerin
Schwarze Plisseehose
In der Bibliothek
statt Kant zu lesen
späht er durch Bücherlücken
nach Abenteuern
Guckguck!
Don Juan
Frühling in Seoul
im Hochhausschatten
Gassen voll Räucherfisch Qualm
Bier und Gelächter
Seoul, Jongno 3-ga
Vergnügungsviertel
im Reeperbahnstil aber
stattdessen Essen

Im Dienste des Menschen
unsichtbar sorgen
weltweit Milliarden Höschen
für Zucht und Ordnung

Beschwerde
… an den Bürgermeister von Japan
Schulmädchen haben
uns mitten im Bergwald die
Stille zerkichert

Tempelkloster
ein Mönch eilt zu Tisch
Bodendielen quietschen wie
Vogelgezwitscher

Japantouristin
ein großer Fortschritt
die Willendorfvenus jetzt
im Sportpantalon

Waldwanderung mit Dame
die Nachtigall singt
im Busch ein geschürzter Rock
und zartes Zischen
Modernes Museum
statt bunter Bilder
dröge Installationen
und nichts zu lachen
Frühling in Kamakura
der weiße Fuji
vor dem hellblauen Himmel
kaum auszumachen

Seoul im April
der Frühling quält mich
mit Kirschblütenschnupfen und
reizenden Frauen
Rachephantasie
die Büstenhalter
der Mütter als Knebel für
lärmende Kinder

Mietshaus
aus ihrem Fenster
kichert sie auf die Straße
als kniffe sie wer

Zierkirsche
im blühenden Baum
summen zehntausend Bienen
schon fast ein Geheul

Lieber Herr Pastor,
darf man dem Herrgott
nach gelungenen Sünden
eigentlich danken?

Notiz aus Paris
die weite Hose
trägt man jetzt gern zu zweit
als Tandembeinkleid

Protest
marschiert gebrüllt und
Fähnchen geschwenkt mal wieder
die Welt gerettet

Liebe im März
Gischtwirbelstürmchen
fegen über den Teich die
Blesshühner balzen

Einstiegsmodell
der flotte Buggy
eher wohl ein früher Rollstuhl
für träge Kinder

Aufklärung 2025
wo Hirn war Wirrwarr
zehntausend Stimmen aber
kein Funken Vernunft

Hüttenbiwak
draußen die Gletscher
drinnen der kühle Frosthauch
der keuschen Freundin

Pirouette
Donna Makita
durchbohrt die Bühne bis zum
Orchestergraben

Abendmahl
der arme Schellfisch
ohne Mitleid verteilt auf
dreierlei Mägen

Tauwetter
die Zweige schon schwarz
die Äste noch Riesenschlangen
mit weißen Rücken

Karneval
ein Wattebauschrock
den Partner im Anschluss rasch
trockenzutupfen

Moderne Zeiten
kein Klapperstorch mehr
die Kinder kommen heute
per Lastenfahrrad
Eine Bäurin
ihr Kopftuch sitzt stramm
das ist als quölle Rührteig
aus einer Schüssel

Morgennachrichten
ich höre nicht hin
lieber spalte ich Brennholz
unten im Keller
Wintermorgen
als wäre der Park
plötzlich gealtert Bäume
mit weißen Haaren

Weihnachtsbescherung
ein neuer Gürtel
wozu? der alte hält die
Hose noch oben
Lieber die
die guten Bücher
sind meistens fad mich trösten
die bitterbösen

Auf Wasser wandeln
wenn der Teich zufriert
predigt der Entenpastor
vom See Genezareth

Trüber Dezember
dichter als draußen
wabert der Nebel drinnen
im Hirn des Menschen
Weihnachtsbäckerei
Hefeteigbatzen
wie einst die Puttenpopos
über der Krippe
Adventskranz
ein grüner Igel
im Schlaf die roten Beinchen
zum Himmel gestreckt

Advent
die Welt ist hässlich
wäre ich Jesus bliebe
ich schön im Himmel
Neues Bettzeug
warmes Kamelhaar
gemahnt mich an Bauchtanz und
süße Suleikas
Reiseabenteuer
seit vielen Wochen
sämtliche Höhepunkte
im Voraus gebucht
Ein Frauenkenner
Augen geschlossen
hört er am Reißverschlusston
was dabei rauskommt

Kunstausstellung 2024
hundert Gemälde
gottlob kein einziger Akt
die Welt wird besser

Zahnpasta 70+
die Tube scheint leer
wenn man dann aber draufdrückt
kommt doch noch was raus

Heiligabend vor sechzig Jahren
das Beste kam erst
nach der Bescherung endlich
die Eltern im Bett
Blick aus dem Fenster
die Nachbarin? nein!
hinter den Büschen dreht sich
ein buntes Windrad
Vielversprechend
ein Beitrag zur Bildungsforschung
ein kleines Monster
aber das Kind zählt fließend
bis dreiundzwanzig

Kopfarbeit
bisweilen stellt er
sich insgeheim vor er sei
ihr Fahrradsattel

Grauer November
der Schwan ist kein Strauß
er steckt den Kopf stattdessen
ins trübe Wasser
Saisonfarben
Amselschnäbel und
goldgelbe Blätter der Herbst
gibt sich Ton in Ton

Waldweg
der Hund schaut sich um
Frauchen trödelt mal wieder
der Hase ist futsch
Haar in der Suppe
von fern verlockend
aber dann aus der Nähe
total tätowiert
Untröstlich
sie nachts mir erträumt
morgens aber beim Aufbruch
im Bett vergessen

Blickdicht
stockblinde Häuser
Japaner bevorzugen
Vorhangscheuklappen

Kleine Waschmusik
stereo unter
den Armen abwärts aber
leider nur mono

Die Quadratur des Kreises
Morgen für Morgen
ein Käsescheibchenviereck
auf einem Cräcker

Touristin
sie fühlt sich unwohl
im Schminkspiegel rechts und links
fremdes Gelände
Arashiyama
ein bergiger Park
in dem Japaner Affen
Ausländer zeigen

Durchblick
brautschleierdünnes
Toilettenpapier Japan
nimmt Umweltschutz ernst

Schönheitsmaske
ein fetter Glatzkopf
zwängt sein Gesicht komplett ins
Hamburgerbrötchen
Karasuma-dori, Kyoto
ein einfacher Rock
aber darin ein Zittern
wie Götterspeise
Herbst im Saimyoji
die Tempelmönche
machen den Tag zur Nacht mit
Ahornblattsternen

Japanisches Rätsel
tausend Balkone
aber auf keinem ein Mensch
nur feuchte Wäsche
Sommer in Kyoto
sie liest im Gehen
ihr nackter Nabel behält
den Weg im Auge
Mittagessen in Hasedera
版画士藏館
hinter dem Vorhang
mischen zwei Frauen kichernd
fischige Süppchen
Bishamondo, Kyoto
vier alte Damen
mit Rhabarberblatthüten
besuchen Buddha

Mount Atago, Kyoto
mein Schweiß von gestern
wabert heute als Nebel
um seine Hüften

Rolltreppe aufwärts
vor meinen Augen
hängen aus lappigen Shorts
schwitzige Schenkel
Japanischer Garten
wie schön wär der Teich
wenn ihn nicht von tief unten
Karpfen verbeulten

Café Cascade, Kyoto
zwei alte Wachteln
sie gurren und nicken als
pickten sie Körnchen

Schmales Bett in Taibei
wie Wein im Karton
ihr Kopf an meinen Füßen
und vice versa

Reisen in Taiwan
suchst du den Tempel
frag fromme alte Frauen
die wissen den Weg

Landeskunde
China Airlines backt
Blauetraubenbrustwarzen
auf süße Törtchen

Cappuccinomaschine
in weißen Milchschaum
faucht brauner Kaffee aus gleich
zwei Nasenlöchern

Taiwan
es dauert nicht lang
dann werden hier Kinder auf
Rollern geboren

„Mir kam der Gedanke, dass in nicht allzu ferner Zeit hiesige Gynäkologen und Hebammen der Welt die Geburt, besser: die Ausfahrt des ersten Rollerkindes werden mitteilen können, durch dessen Nabelschnur eitel Benzin rann, das fix und fertig und betankt und fahrbereit ist und nur noch einmal rasch zur nächsten Waschanlage sausen muß.“ (Tagebuch Taibei 1991)
Einfache Rechnung
der Slip am Türknauf
sagt mir nach Adam Riese
sie hat ihn nicht an
Camping
kaum wälzt sich Zenzi
ins Zelt schon zischt die Luft aus
ihrer Matratze
Wolkenbruch
ein Beitrag zur meteorologischen Forschung
es regnet so sehr
da ist gewiss mehr Wasser
als Luft in der Luft

Gefahrenmeldung
Gürtel verloren
gleich rutscht der Hosenboden
ins Bodenlose

Beruhigend
(Philosophy in the Bedroom)
ein Spannbettlaken
spannt keineswegs es hat noch
nicht einmal Augen

Aus der Tierwelt
das Hündchen zwar klein
die Ohren aber oho
als könnt es fliegen

Meduse
Haarlockenschlangen
fliehen vor ihrem Gesicht
in jede Richtung

Schulfreundin 1965
traf ich sie schlief ich
unweigerlich ein sie war
wie Schäfchenzählen
Verpatzte Mittagsruhe
ein dicker Brummer
Fensterscheiben sind seine
Windmühlenflügel





































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