die Welt verschwommen
aber die süßen Träume
gestochen haarscharf
Kopfsache
seit mein Haar lang ist
sehe ich manche Frauen
mit neuen Augen
Hausputz
mein Bett ist ein Sieb
unten rieseln die Träume
als Staub zu Boden
Wintersturm
Schneeflocken springen
über den See es graust sie
vor nassen Füßen
Film noir
im Flur fällt ein Schuss
im Badezimmer trocknen
duftige Nylons
Welt im Kopf
nun schon seit Tagen
aschgrauer Himmel macht nichts
für mich ist er bunt
Herrenhäuser Allee
sie kommt nicht vom Fleck
trotz ihrer tausend Beine
mir selbst reichen zwei
Blick in den Spiegel
die Seitenhaare
reichen noch nicht bis zum Zopf
ein Widderkaninchen
Traumballett
zehn leere Tutus
ohne Arme und Beine
trudelnde Ufos
Weihnachtsmüll
drei alte Schachteln
gestern geschenkeschwanger
jetzt Wöchnerinnen

Illustration Ulrike Stoermer-Bayer
Nach dem Fest
staubgrau und haarig
huscht sie über die Dielen
die wilde Wollmaus

Krippenkritik
das dicke Christkind
gefällt mir gar nicht ich mag
den stillen Ochsen
japanisch, Kamakura-Periode, 13. Jahrhundert
Entwarnung
der Schwanz hinter mir
nichts als der lose Gürtel
des Bademantels
Fake News
von wegen Rauhreif
tatsächlich ist der Stadtpark
völlig verschimmelt
Nächtlicher Aufbruch
zu früh am Bahnsteig
am Horizont funkelt ein
Glühwürmchenpünktchen

Wenigstens das
Verreisen geht nicht
immerhin kaufe ich Obst
bei einem Türken
Adventsgerechtigkeit
statt fetter Engel
füttre ich den Flamingo
vor meinem Fenster

Chet Baker
bin kein Trompeter
wäre ich aber einer
ich bliese wie er
Doppeloptik
vor meiner Brille
schaukelt tollkühn kopfüber
ein Lockenlorgnon

Einschlafstörung
kaum dreh ich mich um
scheibenwischert mein Haar
mir übers Gesicht

Riedchen aus Felnost
an dlittel Advent
viere Reute velblennen
dlei Läuchelkelzen

Weihnachtsvorbereitungen
in allen Gärten
Lichterkettenarmeen
zum Angriff bereit
Grundsatz
bloß nichts was aufträgt
auf ihren Hüften duldet
sie nichts als sich selbst
Unabhängig
das Weihnachtswetter
voraussichtlich schlecht macht nichts
wir wettern selber
Eigensinnig
kaum guck ich nach rechts
schon guckt er nach links mein Zopf
guckt hin wo er will
(Was jede Grundschülerin längst weiß, muss sich ein
spätberufener Zopfträger erst mühsam klarmachen.)
Zweiter Advent
die roten Kerzen
langweilen mich ich träume
von roten Hosen

Frost
sie sei tätowiert
zwar weiß kein Mensch wo aber
ich kann’s mir denken
Adventsseufzer
draußen Dezember
drinnen Lametta eins so
schlimm wie das andre
Kühler November
ein Strickmützenpaar
sie ist San Pietro und er
St Paul’s Cathedral

Novemberfrisur
mein wirres Grauhaar
erspart mir barmherzig den
Blick in den Nebel

Pinnwand
vergilbte Bilder
mir hinter die Stirn in den
Schädel genagelt
Novemberblues
über der Wiese
bläht noch ein letzter Herbstbaum
sein gelbes Segel
Vollmondgedöns
muss er denn rund sein?
ich mag den Mond durchaus auch
als schiefe Kartoffel
Gruppenfoto
zwei helle Nylons
zwischen zwölf dunklen Hosen
Laternen im Wald

Bewährtes Mittel
bevor er einschläft
schwelgt er ein Viertelstündchen
in wilden Bildern
Lange Nacht
dreimal hellwach und
dreimal genüsslich wieder
in Morpheus‘ Armen
Reisepläne
zu Hause bleiben
die Mittagsschlafdecke als
fliegender Teppich
Winterglück
der Frosch im Kompost
darf friedlich von Frühling und
Froschschenkeln träumen
Vor dem Spiegel
ich zupfe täglich
an meinem Zopf doch wird und
wird er nicht länger

Herbstballett
kein Blatt mehr am Baum
Astgabeln grätschen verzückt
dem Sturm entgegen
Herbsträtsel
vor Suses Fenster
errötet ein Baum was nur
hat der gesehen?
Geheimrezept
gegen den Herbstschmerz
hilft mir ein Mittagsschläfchen
voll süßer Träume
Im Ruhestand
kein Amtsgeschäft mehr
sieh! da flattert ein Falter
vor meinem Fenster
(nach dem anonymen Text auf einem chinesischen Stempel: „官閒無一事 蝴蝶飛上階. Im Büro gibt es nichts zu tun. Welche Freude: Ein Schmetterling landet auf meiner Treppe!“)
S.O.S.
Herbstregenfluten
die Blätter verlassen
den sinkenden Park
Herbststurm
fliegen die Blätter
jetzt etwa weit weg in den
sonnigen Süden?
Liebesunfall
beim Hemdausziehen
sehe ich nichts nun hat die
Frau eine Beule
Rindsbrötchen
Hamburger geht nicht
Hamburgerin dagegen
passt ausgezeichnet
Novemberabend
kein Weltgetümmel
nur noch der stille gelbe
Lichtkreis der Lampe
Aushilfskellnerin
„Zusammen oder getrennt?“
zahlt einer alles
teilt sie die Rechnung durch zwei
und nimmt mit zwei mal
Hockey
flatternde Röckchen
jagen mit Handstaubsaugern
nach einer Wollmaus
Reisebekanntschaft 1979
I
sie hatte Heimweh
quietschte aber entzückend
bei Start und Landung
II
Wüstenbusse mit
schwitzigen Kissen seither
Pickel im Sitzfleisch
An der Leine
Herbstblätter treiben
unter der Brücke eine
langsame Flotte
Kneippkur
nachdenklich waten
Krähen in schwarzen Trikots
durch blanke Pfützen
Frühsport
beinah von selber
grätscht meine Brille morgens
um meine Schläfen
Zerstreute Wirtin
sie lächelt mich an
mein Kuchen versinkt unter
Bergen von Sahne
Passend
der Schriftzug JUICY
in Strass hinten auf einer
riesigen Hose
Luise
sie merkt sich eifrig
was andere Menschen
getrost vergessen
Kalter Krieg 1965
ein moosgrüner Rock
als eiserner Vorhang
vor ihrem Gelende
Verirrt im Deister
Wegweiser reichlich
aber es stellt sich heraus
die sind hier auch fremd
Vor der Kirche
die Röcke gerafft
zu einer Kugel aus Tüll
die Braut als Emu
Lübecker Friedhof
über den Gräbern
schwingen silberne Kiefern
lässig die Hüften
Herbsttag
ein trüber Himmel
lauter vergraute Wäsche
auf Gottes Leine
Kellnerin
die blaue Bluse
über dem grünen Salat
Himmel und Erde
Gartenwirtschaft
kein Ausflugswetter
ein nasser Hahn pickt Krumen
von leeren Tischen
Der Gang der Dinge
die Waden fast kahl
am Scheitel kaum mehr ein Haar
Wollmäuse reichlich
Herbstwald
Luise mag es
wenn unter ihren Stiefeln
die Eicheln knacken
Unverhofft
eine Libelle
auf meinem Hemd als Orden
und Ehrenzeichen

Alleepflege
die Linden zittern
grobe Gärtner rasieren
ihnen die Beine
Die neuen Päpste
sie sprechen nicht ein
verbotenes Wort sondern
einander heilig
Hastiger Aufbruch
wie ist das möglich?
plötzlich ein Finger zu viel
in meinem Handschuh?
Seerosenteich
ein Sonnenaufgang
mit Wasserläufern hundert
zuckende Fünkchen
Immerhin
zwar nur ein Halbmond
aber er füllt mein Zimmer
freundlich mit Vollmilch
Schlichtes Gemüt
sogar bei Pornos
rätselt er jedesmal neu
wie es wohl ausgeht
Hortensien
die große weiße
verdeckt die kleine rote
doch die schimmert durch
Sommerrock
ein enger Tunnel
aus dem zwei weiße Knie ins
Sonnenlicht blinzeln
Ausflugsorakel
wir zupfen Blüten
es regnet es regnet nicht
dann brechen wir auf
Kurznachricht
sie schickt drei Smileys
schickte sie mir doch einen
eignen Gedanken!
Balkonalarm
Lavendelblaulicht
und eine schrille Biene
als Martinshörnchen
Freiburg 1969
sie liebte Rauchtee
ich Narr war deshalb sicher
sie sei auch feurig
Erleuchtung im Park
einfache Rechnung
zwanzig Ohren im Gras
macht zehn Karnickel
Sommerverkehr II
Sommerverkehr I
so gern fährt sie Rad
dass sie selbst nachts im Bett noch
die Luft zerstrampelt
Abseits
Enttäuschend
der Frühlingswind lupft
die Seerosenblätter und
findet nur Wasser
Verblüffend
ihr Röckchen zaubert
aus einem einzigen Rumpf
macht es zwei Beine
Internationales Froschkonzert
zehn quaken auf Deutsch
einer klappert auf Spanisch
mit Kastagnetten
Maiwind
vor meinem Fenster
tänzelt ein Königspudel
aus Weißdornblüten
Morgenstunde
Pfötchen nach Osten
beten die Hasen im Park
zum großen Rammler
Nach dem Mairegen
kaum bleibst du stehen
schon wächst dir das Gras in
die Hosenbeine
Ruhelos
Schäfchen zum Zählen
hat sie genug ihr fehlen
die Schläferstündchen
Spätfrühling
die Blüten verweht
die Kirsche trägt jetzt grüne
Alltagsklamotten
Exhibitionistin
unter dem Mantel
statt Gänsehaut Tarnzeug mit
Strass und Pailletten
mir stockt der Atem
jetzt knöpft sie sich auf zum Glück
hat sie was drunter
Konzert am Teich
eins nach dem andern
erst wenn die Frösche schweigen
hör ich den Kuckuck
Der Verdruss der Meisen
Eichhörnchen plündern
kopfüber hängend gierig
das Vogelhäuschen
Brief aus Tokio
die Kirschbaumblüte
im Großstadtgrau schreibt Nami
heilt die Passanten
Der Text bezieht sich auf den YouTube-Vlog „Namis Leben“
mit sparsam untertitelten Videos über den Alltag
einer Tokioter Büroangestellten.
„Coffee to go“
Pappbecher werden
während wir plaudern plötzlich
zu Meißner Tässchen
Zweierlei Seerosenblätter
wer hat es besser?
die unter Wasser oder
die oben im Licht?
In den Leineauen
die Erlen am Fluss
nachts die emsigen Biber
ein Schlag ins Wasser
Flipper
die Hummel taumelt
lange zwischen den Blüten
das gibt ein Freispiel
Vorfrühling am Badesee
drei nackte Männer
wärmen sich an der Hoffnung
auf dito Frauen
Bodenkrieg
Wollmausarmeen
marschieren durch meinen Flur
beherzt in die Schlacht
„Aus!“
am Ende des Parks
zerbissene Stöckchen und
traurige Hunde
Meisen auf dem Fenstersims
weiße Gesichter
mit schwarzer Gangstermaske
wie Schlittenhunde
Hochzeitsfotos im Park
Schnee auf den Schultern
rafft sie auch noch die Röcke
um nicht zu stolpern
Graffito
hastige Striche
auf einer gelben Mauer
ein Bodhisattva
Pünktlich
am Weg zum Bäcker
Amseln und Meisen sämtlich
schon auf den Beinen
Kalter April
die Blüten verschneit
der warme Mantel verflixt
schon auf dem Speicher
Zorniger Schwan
I
wie angestochen
fegt er über den Weiher
und scheucht die Enten
II
Jesus schwob würdig
er aber stürmt durch den See
und jagt ein Blesshuhn
Fehlalarm
bricht ein Vulkan aus?
brennt Rom? nur Osterfeuer
im Nachbargarten!
Picknick am See
die Frühlingsbrise
pfeift auf dem leeren Flachmann
fröhliche Weisen
Gottseidank!
am Kiesteich
alle Nudisten
wegen des kalten Windes
in warmen Kleidern
Rätselhafter Haubentaucher
dort wo er abtaucht
taucht er gewöhnlich nicht auf
sondern woanders
Schrankversteck
eine Kindheitserinnerung
eingezwängt zwischen
Mänteln und Miedern
unten im Dunkeln
entdeckt man mich nie
ich atme Moschus
und Mottenkugeln
und das Aroma
von Tante Marie
Stammgäste
erst kommt er in Grau
dann sie in Hellrot ein Paar
wie Flamme und Rauch
Haustiere
Hausputz
aus meinem Staubtuch
steigt weißes Gewölk heiter
zum Frühlingshimmel
Vor dem Frühjahrsputz
selbst auf den Büchern
wachsen inzwischen blonde
flaumige Fellchen
Mutter und Kind
eine Idylle
sie selbst kaut Kuchen
das Kind saugt sich die Krümel
aus ihren Brüsten
Untergang
kein Blesshuhn mehr da
nur ein paar Wellenringe
und Wasserspritzer
Morgennebel
die Welt im Nachthemd
ein Traum aber ich fürchte
bald zieht sie es aus
Heiliger Ernst
Sichlustigmachen
ist jetzt verpönt kein Wunder
dass niemand mehr lacht
Wintersonne im Barockgarten
die welken Hecken
Wäscheständer voll dünner
hellbrauner Nylons
Wäscheleine
Susi liest
Tauwetter
es ist wie immer
nach dem Vergnügen beginnt
das große Tropfen
Schlafzimmer
ein Hochgebirge
aus Kissenzipfelgipfeln
und Federbettfirn
Schwarzweiß
wär nicht die Amsel
könnte man all den Neuschnee
glatt übersehen
Unverständlich
bliesen sie wirklich
wo entwiche am Ende
die unnütze Luft?
Annäherung an eine Krähe
Herrenhäuser Graft, Hannover
ob sie ein Buch liest?
ach was! sie pickt in einer
offenen Muschel
Moorteich
ein stilles Blesshuhn
schreibt in die Entengrütze
magische Zeichen
Schneemannbaustelle
buntgekleidete
Zwergsisyphosse wälzen
eisige Klötze
Nächtlicher Schneefall
der Nachbargarten
taghell als hätte jemand
das Licht angelassen
Schutzmaske
am Kinn sind Strapse
nicht halb so schön wie oben
an weißen Schenkeln
Januarmorgen
gelblicher Nebel
heute duftet Hannover
schärfer als Shánghai
Anatolische Satteltasche
Baumschnitt
kein Ast mehr im Weg
jetzt kann er sehen wie sie
den Vorhang zuzieht
Ersatz
seit sie ihm weglief
schwärmt er für Filmstars die ihr
von weitem ähneln
Frost
I
die Buche im Schnee
auf einem Zweig die Krähe
im Kleinen Schwarzen
II
die Krähe freut sich
Schnee bringt ihr Kleines Schwarzes
prächtig zur Geltung
Modernes Theater
was schreien die so?
mag sein die schreien weil sie
nicht sprechen können
Modetrend
hauchdünne bunte
Kleider als Kirchenfenster
für fromme Flöhe
Maschsee
das Eis ist noch dünn
die Möwen heben ein Bein
und machen sich leicht
Neues Schlafmittel
statt Schäfchen zählt er
jetzt Joggerinnen die ihn
sanft überrunden
In den Leineauen
der alte Weiher
ein Wildschwein hechtet hinein
der Klang des Wassers
Eine Kontrafaktur zum berühmten Froschhaiku des Japaners Basho (1644-1694)
der alte Weiher
ein Frosch springt hinein
der Klang des Wassers
die sich anbot, ja geradezu aufdrängte, weil das gestrige Wildschwein, wenn auch wohl unwissentlich, es Bashos Frosch auf frappierende Weise gleichtat.
Silvester im Park
Feuerwerksfreude
ohne Getöse und Rauch
ein Knallerbsenstrauch
Frühlingsmorgen im Park
erschöpft vom Nachtdienst
stürzen zwei Fledermäuse
mir fast ins Gesicht
Christbaummode
Lametta ist out
bald wird man den kahlen Baum
wohl tätowieren
Schönheitsoperation
Biber verhelfen
den alten Erlen am Fluss
zu schlanken Fesseln
Dame im Garten
sie selbst sieht man nicht
man sieht durch grünes Gebüsch
nur ihre Zeitung
Dezemberfee
mit Punsch und Kerzen
macht sie die dunkle Straße
für uns zum Festsaal
Zimmer mit Parkblick
tritt sie ans Fenster
falten alle Karnickel
die frommen Pfötchen
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