Han Shan

Han Shan (meint Blofeld)
habe die Frauen
bisweilen geliebt
und manchmal gehasst
wen überrascht das?
ist nicht die Liebe
halb bittere Lust
und halb süße Last?

 

„As to beautiful women, he [Han Shan K.B.] sometimes speaks of them with a bitterness that ill accords with Buddhist compassion, besides coming strangely from the brush of a poet who, in other poems, reveals a lingering fondness for – to use a Chinese expression – „joys behind hibiscus curtains.“ But his frankness about his own weaknesses points to a virtue higly prized by Buddhists, that of total indifference to praise and blame; it also points to his having achieved a state at which all serious Taoists aim, that of tzu-jan [zìrán 自然 K.B.] – complete spontaneity.“ (Blofeld, John: Introduction. In: Han Shan, fl. 730-850. The collected songs of Cold Mountain / translated by Red Pine. Port Townsend, Washington 2000. 24)

Barine

kein Zahn wird dir schwarz
kein Nagel fleckig
auch nicht nach tausend
gebrochnen Eiden
nein du wirst schöner
du schwenkst die Hüften
und alle lechzen
nach dir und leiden

Ulla si iuris tibi peierati
poena, Barine, nocuisset umquam,
dente si nigro fieres vel uno
turpior ungui,

crederem; sed tu simul obligasti
perfidum votis caput, enitescis
pulchrior multo iuvenumque prodis
publica cura.

(Horaz: Carmina II, 8, 1-8)

prostra

Laufpass für Chloe

ich pfeife auf dein
Kinn deine Lippen
auf deine Schultern
und deine Rippen
ich mag nicht alles
einzeln beschreiben
du kannst mir komplett
gestohlen bleiben

Et vultu poteram tuo carere
et collo manibusque cruribusque
et mammis natibusque clunibusque,
et, ne singula persequi laborem,
tota te poteram, Chloe, carere.

(Martial: Epigramme III, 53)

Hund und Mensch

(ein Minneliedchen)

ich reime für dich Reime
der Hund bellt nach dem Mond
der Mond erglänzt im Teich zwar
doch bleibt er unerreichbar
das ist der Hund gewohnt

verhüllt den Mond Gewölke
verstummt und döst das Tier
und ist dein Ohr verschlossen
so bin auch ich verdrossen
und trinke still mein Bier

grad warst du hinter Wolken
nun strahlst du mondlich hell
und ach dein Ohr ist offen
ich schreibe wie besoffen
mein Verslein mein Gebell

Unschuld

die femme fatale
in deren Dunstkreis
dutzende Männer
Selbstmord verüben
kann sich die Leichen
gar nicht erklären
sie könne doch kein
Wässerlein trüben

 

DSCN4366

Dominique Wilms in „Serenade für zwei Pistolen“ (1953)

Genügsam

ich hasse Aufwand
und Diademe
Herbstrosen musst du
für mich nicht brechen
ein grünes Kränzchen
mehr brauchen wir nicht
wenn wir im Schatten
sitzen und zechen

persicos odi, puer, adparatus,
displicent nexae philyra coronae,
mitte sectari, rosa quo locorum
    sera moretur.

simplici myrto nihil adlabores
sedulus curo: neque te ministrum
dedecet myrtus neque me sub arta
    vite bibentem.

(Horaz: Oden I, 38)

Was Frauen sagen

sie liebt mich sagt sie
was Frauen sagen
unsere Liebe
noch zu erhitzen
kannst du getrost in
die Winde schreiben
oder in einen
Wasserfall ritzen

nulli se dicit mulier mea nubere malle
quam mihi, non si se Iuppiter ipse petat.
dicit: sed mulier cupido quod dicit amanti
in vento et rapida scribere oportet aqua.

(Catull: Carmina 70)

Autark II

wie hat das Gürteltier es gut
dieweil wir unser ganzes Leben
andauernd nach den Frauen streben
und uns zerplagen bis aufs Blut
lebt jenes Tier mit ruhiger Kralle
braucht nicht zu streben braucht kein Weib
genügt sich selbst als Zeitvertreib
ist selber Riemen selber Schnalle