Lob der Genügsamkeit
unter anderem
Küchengerümpel
die kleine Schüssel
mit bunten Drachen
sie ist gesprungen
aber sie taugt noch
morgens darin den
Grüntee zu machen
Lob der Genügsamkeit
unter anderem
Küchengerümpel
die kleine Schüssel
mit bunten Drachen
sie ist gesprungen
aber sie taugt noch
morgens darin den
Grüntee zu machen
Hugo fährt nur in
der ersten Klasse
die zweite sei ihm
gar nicht gemäß
ach was! ob Klappsitz
ob Luxussessel
was Hugo polstert
ist sein Gesäß
ich bin nicht begierig
nach neuen Wegen
auf denen ich sieben
Weltwunder sehe
ich wähle die alten
und bin zufrieden
mit dem was ich denke
wenn ich sie gehe
trinkt man in Japan
denn neuerdings Wein?
was wohl die Leute
nebenan treiben?
das piepst als ob die
den feuchten Korken
unablässig am
Flaschenhals reiben
Osaka-Amsterdam
ich dachte lange
dass in den Lüften
nur grashalmzarte
Engelchen wohnen
inzwischen weiß ich
in Hollands Wolken
wohnen verblüffend
schwere Matronen
es ist oft schwierig
in Schnellaufzügen
die wie Raketen
nach oben schweben
hängende Nylons
kurz vor der Ankunft
gegen die Schwerkraft
wieder zu heben
jedesmal wenn ich
in meinen Träumen
endlich soweit bin
dass Lotte mich liebt
niest nebenan ein
alter Japaner
laut wie ein Nilpferd
und Lotte zerstiebt
der Regen ist mir
herzlich willkommen
soll er nur reichlich
strömen und schütten
als Wasserwerfer
des Himmels treibt er
die lauten Menschen
in ihre Hütten
Mountainbiker auf
Motorfahrrädern
sind keine Sportler
sondern Ästheten
die wollen bunte
Wämschen und Helme
und Brillen tragen
aber nicht treten
Zikaden zirpen
sanftes Geplätscher
in grünen Teichen
wohin ich schaue
in grünen Feldern
hellgrüne Weiden
warte bald grünen
mir Bart und Braue
沈德潜(1673-1769): 过许州
到处陂塘决决流
垂杨百里罨平畴
行人便觉须眉绿
一路蝉声过许州
Shen Deqian (1673-1769): An Xuzhou vorbei
Überall plätschern „Jue-jue“ die Teiche.
Und überall hängen Trauerweiden in die Felder.
Ich Reisender habe das Gefühl, Bart und Brauen werden mir grün,
wenn ich von Grillen umzirpt an Xuzhou vorbeikomme.
(Das Gedicht bezieht sich auf das heutige Xuchang in der chinesischen Provinz Henan.)
das Rollfeld verwaist
niemand will reisen
kein Flugzeug landet
und keines startet
im Frühlingsdunst kreist
ein einzelner Storch
ob den wohl eine
Störchin erwartet?
(Februar 2014)
ein hässliches Kind
kein bisschen charmant
pausenlos schreit es
verbissen und grell
die Stewardessen
finden es niedlich
bravo! das nenne
ich professionell
Shinkansen Tokio – Kioto
der Fuji verhüllt
von grauen Wolken
gegen das Wetter
gibt es kein Mittel
und nirgends ein Trost
die Imbissgeisha
serviert den Kaffee
im grauen Kittel
auf dem Flug von Dubai nach Tokio
die Bildschirme schwarz
die Kopfhörer stumm
dreihundert Leute
schwatzen und klingen
als wären sie auf
einmal lebendig
die Crew will das rasch
in Ordnung bringen
die Straßen haben
die Autokrätze
im Bergwald hängen
Seilbahnrotzfäden
und aus den alten
Fassaden bluten
die frischen Wunden
grellbunter Läden
(Piazza della Rotonda, Rom)
sie tragen alle
die gleiche Mütze
der Guide raunt ihnen
per Sprechfunk ins Ohr
als greise Kämpfer
der Kunstgeschichte
rücken sie tapfer
zum Pantheon vor
oben im Bergwald
tragen die Buchen
an ihren Ärmeln
quietschgrüne Biesen
unten dagegen
brettert ein Rapsfeld
als gelber Postbus
quer durch die Wiesen
(Shanghai-Amsterdam)
eine Walküre
auf ächzenden Pumps
mühelos stemmt sie
Koffer und Taschen
die würde einen
Hänfling wie mich beim
Zeitunglesen zum
Frühstück vernaschen
(Bremer Weserpromenade Schlachte)
… ihr Rock sei nicht zu
sehen gewesen
hör ich sie kichern
einfach verschwunden
dann aber habe
sie ihn zerknittert
oben um ihre
Taille gefunden …
(Kunsthalle Hamburg)
Neonröhren und
Steine in Eimern
rostige Drähte
in Zeitung verpackt
da sind mir Bambus
und Berge lieber
ich bin mir sicher
der Kaiser ist nackt
ihr Pulli rutscht hoch
sie zieht ihn runter
doch wie sie auch zupft
der Spalt geht nicht zu
andauernd zwinkert
ihr weißer Fischbauch
als grelles Blinklicht
und raubt mir die Ruh
zwischen Pasewalk und Stralsund
ich rolle im Zug
durch Wald und Felder
langsam versteh ich
was ich da sehe
die braunen Tierchen
vor meinem Fenster
sind mit Zaun Schafe
ohne Zaun Rehe
(Istanbul)
im Sommer dösen
die Leute am Strand
im Herbst dagegen
werden sie wach
reisen in Horden
in fremde Städte
fotografieren
und machen Krach
(Sylt 1999)
wo gestern noch der Leuchtturm stand,
heut morgen eine Nebelwand
ein graues fahles stilles Schweben
schluckt Form und Farbe Klang und Leben
nicht Wald noch Wiese nicht mal Kühe
kein Traktor tuckert durch die Frühe
kein Wind kein Möwenflugverkehr
die Wirklichkeit sie wirkt nicht mehr
so muß der Tod sein kein Objekt
das mich zum Subjekt macht und neckt
nicht mal ein Gott der grausam richtet
nur noch das Nichts das friedlich nichtet
(Sylt 2001)
der Möwerich kreischt laut und schrill
die Möwe zu betören
das Tier darf kreischen ich bin still
und muss sein Kreischen hören
im Buschwerk bellen zwei vor Lust
die Frühlingswinde rauschen
fern blökt ein Schaf aus woller Brust
und ich muss schweigend lauschen
die Frau im Nachbarstrandkorb schnappt
den Straps aus schwarzer Seide
auf ihren Schenkel dass es flappt
und ich vernehms und leide
dumpf muht die Kuh vom Grase satt
im Kreise ihrer Kälber
nur abends spät in meinem Bad
muh ich dann auch mal selber
(Blutige Alm, Innerkrems, Kärnten)
sie blickt verdrossen
ihr läuft die Nase
die fetten Schenkel
zittern verfroren
was hat ein Trampel
in kurzen Hosen
bei Regen auf dem
Gipfel verloren?
Frau Schultze wählt die Malediven
als Herbsterholungsurlaubsort
sie läßt sich in die Lüfte hieven
und düst mit einem Flugzeug fort
sie schnappt sich ihre Taucherbrille
schnallt ihre Flosse an den Fuß
schwebt durch endiviengrüne Stille
erwidert feucht der Fische Gruß
und wird da unten nass und nasser
der Tang wogt rot ein Seeaal naht –
mir reicht mein Schreibtisch brauch kein Wasser
bin nur ein trockner Literat
Verkehrslärm Werbung
Baustellenwüsten
Aktienkurse
und Fortschritt in spe
dann plötzlich Stille
schwingende Dächer
Goldfische Bambus
und duftender Tee
beim Einstieg tanzen
sie äußerst adrett
auf Zehenspitzen
Gepäckfachballett
oft schweben sie dicht
vor mir in der Luft
ich atme tief ein
und schwelge im Duft
Brunhilde Mollig
muss lange stehen
vom Stehen wird sie
schwächer und schwächer
dann wird ein Platz frei
nun klemmt sie im Sitz
wie die Melone
im Eierbecher
des Horizontes lange Gerade
trapezgebauschte ferne Segel
Handtuchrechteck braune Wade
junger Brüste Gummikegel
Sonnenmilch tropft aus der Tube
länglich ausgestrecktem Rohre
schäumend in des Nabels Grube
Stimmen schwirren sanft im Ohre
Schenkelwalzen Tonnenrümpfe
tätowierte Kompassrosen
Sonnnenschirmstrohkegelstümpfe
winzigkleine Tangahosen
vorn ein Dreieck hinten Bälle
eingedrückt im weichen Sande
flachkonkave Doppeldelle
Algenbänder auf dem Strande
Palmen werfen grüne Strahlen
schlanker Blätter Wimpernfächer
über flachen Quadern kahlen
stille weiße Kuppeldächer
welche Freude so zu träumen
Zeit im Schatten zu verdösen
und die Welt nicht aufzuräumen
sondern lächelnd aufzulösen
Erlebniskegeln
romantic dinners
schrill parfümierter
Kleinbürgermuff
da fehlt jetzt nur noch
als special event
die Gruppenführung
zum Innsbrucker Puff
plötzliche Böen
vor dem Ballettshop
Rollständer stürzen
ein Schirm wird geknickt
zwei Professoren
beinahe unter
Tutus und Stulpen
beim Denken erstickt
wie konnte ich nur
dem Zimmermädchen
die Socken vertauscht
zum Waschen geben
nun trag ich heimlich
rechts beige und links grau
und darf die Hosen-
beine nicht heben
die eine winzig
picklig mit Brille
plaudert und spottet
ein blitzender Clown
die andre ist schön
die muss nicht reden
der reicht es verträumt
durchs Fenster zu schaun
wieder so eine
Lachsalvengruppe
ein Witz ein Gebrüll
und immer so fort
Leben als Sitcom
Gags statt Gespräche
ich löffle Müsli
und sinne auf Mord
zwei iPod-Kabel
Ödland dazwischen
aus ihren Ohren
Zirpen und Zischen
ihr Kopf denkt so wenig
wie Schambein und Knie
da drin denkt nur die
Musikindustrie
sie zockeln brav in
Erstklässlerschlange
die Gruppennummer
gleich vorne am Hemd
zum Selbergucken
sind sie zu bange
die Welt sagt der Guide
sei farbig und fremd
(Istanbul)
über dem Müsli
Charts auf dem Bildschirm
Techno und Turk-Pop:
Kampf der Kulturen
rings an den Tischen
Rentner in Buschhemd
und kurzen Hosen:
Charts der Lemuren
man träumt von schönen
schwebenden Vögeln
tatsächlich rast man
in einer Röhre
an Sitze geschnallt
durch Turbulenzen
die nächste Reise
werde ich schwänzen
schrillender Wecker
gähnende Koffer
hastiges Frühstück
jähe Erregung
Reisen wär herrlich
ohne den Wechsel
aus sanfter Ruhe
in die Bewegung
ich bin zwar getauft
doch bin ich nicht fromm
und wenn ich drum nicht
in den Himmel komm
dann lad ich dich gern
in die Hölle ein
ich will dir ein zärt-
licher Teufel sein
anlässlich eines Besuchs in der Hongkong Baptist University 2005
Matsuo Basho: Frosch
Der alte Weiher
Ein Frosch springt hinein
der Klang des Wassers
Binsen und Birken
in tiefer Stille
die Fische schweigen
im Schlingpflanzenreich
ein einzelner Frosch
stört die Idylle
er springt in die Luft
und plumpst in den Teich
(Eschede)
andächtig lauschen
freundliche Kühe
rollendem Donner
rauschendem Regen
im Blitzgestöber
bitten sie stumm den
himmlischen Bullen
um seinen Segen
(Ulm)
Eis auf den Wiesen
im grauen Wasser
gründelt der Schwan den
Schwanz steil nach oben
die frommen Entchen
werden nicht müde
schnatternd des Bürzels
Weißheit zu loben
Designerbrille
auf Blattgoldlocken
Cargohose mit
hautengem Zwickel
ein Kindgesicht aus
dem Modejournal
wie ihre Töchter
bloß ohne Pickel
(Thessaloniki)
sie bringt den Ouzo
in Wassergläsern
Kurzhosenschenkel
ein bisschen zu schwer
jetzt lacht sie mich an
die Barbiepuppen
die sich rings feiern
ich seh sie nicht mehr
Konstantinopel
noch in den Socken
statt Muezzine
nun wieder Glocken
die Griechinnen ach
sie läuten so sehr
im Abendwind auf
den Straßen am Meer
wenn Hüften schwer wie
Lastwagenreifen
vom Gang her mir an
die Schulter streifen
dann rennt meist eine
mit leerem Magen
und dickem Hintern
zum Speisewagen
schwarze Dächer im Schnee
nirgends kein Blau keine Fee
Leipzig noch weit
in ihm funkelt es bunt
er blickt ins Morgenlicht und
vertreipzig die Zeit
der Morgen räkelt sich
und strampelt aus den Decken
der Kirchturm ist schon auf
das Wäldchen lässt sich wecken
ein sanfter Hügel gähnt
mit seinem Tunnelrachen
frühstückt er meinen Zug
ich muss im dunkeln lachen
Nacht an fremdem Strand
mit goldgelbem Schein
rutscht der Monddinar
ins Hotelsparschwein
für den Flug nach Haus
ist kein Vogel da
wär gern irgendwo
statt in Afrika